Das Werk
Das Werk von Thomas Christoph Heyde basiert auf einem komplexen System, das musikalische Prozesse paritätisch mit Objektdesign, Textinterpretation, Kameraführung zu einem komponierten Ganzen verschmilzt.
Die Komposition
ABENDMAHL ist zweigeteilt. Im ersten Teil löst Heyde die 95 Thesen von Luther in 430 Gesten auf, die die Mitwirkenden choreografiert wiedergeben. Die ‚Thesen’ werden also mehr versinnbildlicht denn vertont.
Im zweiten Teil verarbeitet Heyde seinen Text mit dem Titel »Vaterunser | Muttermein«, in den das berühmte ‚Vaterunser’ fast unmerklich hineincodiert ist. Zudem bezieht er sich (auch musikalisch) auf einen überlieferten ‚Vaterunser’-Choral von Martin Luther, den dieser komponiert, schließlich jedoch wieder verworfen hat.
Vier motorisierte Kameras, die computergesteuert auf dem Tisch entlangfahren, sind ebenso Teil der ausgefeilten Komposition. Ihr Bild gibt 430 unterschiedliche Gesten der Mitwirkenden wieder und wird im Hochformat auf vier über der Tafel hängenden Leinwänden projiziert.
© FZML e.V.
Die Textgrundlagen
Martin Luther
Disputatio pro declaratione virtutis indulgentiarum (1517)
14. Imperfecta sanitas seu charitas morituri necessario secum fert magnum timorem, tantoque maiorem, quanto minor ferit ipsa.
15. Hic timor et horror satis est se solo (ut alia taceam) facere penem purgatorii, cum sit proximus desperationis horrori.
16. Videntur infernus, purgatorium, celum differre, sicut desperatio probe deperatio, decuritas differunt.
17. Necassarium videtur animabus in purgatorio sciut minui horrorem, ita ugeri charitatem.
Auszug
TC Heyde
»Vaterunser | Muttermein«
Ach Vater,
wo ist unsere gütige Mutter?
Die Kinder, die toten, sie warten im Himmel
und nichts hat dich damals geheilt nach der Schlacht.
Vereidigt werden wir alle
(so auch ich)
Doch können wir lauschen?
Kann dein Ohr noch hören?
Kannst du wieder schwingen und tönen und ahnen und klingen?
Und der Name, die Nummer, ist ein Blech auf der Brust im Gewühl deiner Ahnen und im Reich deiner Lust von der Macht.
Auszug
Der Tisch & die Stühle
Die 95 Stühle sind eine Eigenentwicklung des Künstlers und spiegeln in ihren Größenverhältnissen die mathematischen Proportionen der Komposition wieder. Das verwendete Material (Holz, Teer, rostiges Metall, Federn und Plexiglas) verweist sowohl auf den historischen Kontext der Reformation als auch auf die Gegenwart.